A touch of baroque – un tocco del barocco

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Das Josephinum
1785 wurde die medizinisch-chirurgische Akademie von Joseph II gegründet, ein Jahr später erhielt diese Institution den Namen „medizinisch-chirurgische Josephsakademie“ und den Rang einer Universität, was bedeutete, dass an die Absolventen akademische Grade vergeben wurden. Somit war es einige Zeit lang möglich, in Wien an zwei akademischen Schulen Medizin zu studieren, allerdings unterschieden sich diese stark voneinander. Sehr bald bürgerte sich der Name „Josephinum“ für diese Institution ein.

Josephinum

Joseph II hatte gemeinsam mit seinen Beratern lange Zeit versucht die medizinische Fakultät der Universität Wien zu bewegen, den Studienplan dahingehend zu verändern, dass die Ausbildung den beabsichtigten Veränderungen im Gesundheitswesen der habsburgischen Länder entsprechen sollte. Allerdings blieb dies ohne Erfolg, im Grunde kann man diese Situation dahingehend zusammenfassen, dass offenbar sehr unterschiedliche Ausbildungsziele verfolgt wurden.

Für die Gründung des Josephinum waren konkrete gesundheitspolitische Ziele ausschlaggebend, die auf staats– und wirtschafstheoretischen Konzepten basierten, aber auch konkrete philosophische Aspekte enthielten. Zum einen wurde es als Recht jedes Bürgers gesehen, vom Staat „Sicherheit“ gewährleistet zu bekommen – Zugang zu einer adäquaten Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau gehörte ebenso dazu, wie die Sicherheit auf Straßen oder die ausreichende Versorgung von Märkten mit Nahrungsmitteln. Zum anderen wurde eine möglichst große Bevölkerungszahl als wirtschaftlich erstrebenswertes Ziel gesehen.

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Gesundheitswesen
Als ein Ergebnis dieser Denkansätze können die für die habsburgischen Länder typischen „Allgemeinen Krankenhäuser“ gesehen werden, die primär dazu dienten, für Menschen, die sich eine medizinische Betreuung zu Hause nicht leisten konnten, ein Umfeld zu schaffen, in dem dies möglich war. Die Betreuung war für ärmere Menschen kostenlos, diejenigen die etwas beitragen konnten, sollten dies im Rahmen ihrer Möglichkeiten tun. Um eine umfassende medizinische Versorgung gewährleisten zu können, sollten in den Krankenhäusern verstärkt Personen eingesetzt werden, die eine medizinische Ausbildung verfolgten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Mediziner oder Chirurgen zuvor keine praktische Ausbildung erhalten hätten. Studenten der Medizin waren von der Gründung der Wiener medizinischen Fakultät an verpflichtet, zumindest ein Jahr lang mit ihrem „Promotor“, also dem Arzt, der sie ausbildete, Kranke zu besuchen und diese unter seiner Anleitung medizinisch zu betreuen, bevor sie ihr Studium abschließen konnten. Im 16. Jahrhundert kam die Möglichkeit hinzu diesen praktischen Unterricht auch in Spitälern abzuhalten, in Wien war dies zunächst im Bürgerspital möglich, danach auch im Spital der barmherzigen Brüder, später auch in anderen Spitälern. Wundärzte wurden an sich primär praktisch, im Kontext der wundärztlichen Ordination oder in einer Badstube ausgebildet.

Medizinische Ausbildung
Im Zusammenhang mit den oben genannten Veränderungen ging es jedoch um etwas anderes – die Auszubildenden sollten durch umfassende Hilfsdienste und in permanenter Anwesenheit in den Spitälern ausgebildet werden. Prototyp dieser neuen Ausbildungsweise war das dem Josephinum angeschlossene Garnisonsspital, dessen Architektur an diesen Ansprüchen orientiert war.

In diesem Sinn trugen die kostenlos betreuten Kranken das Ihre dazu bei, dass sich das Gesundheitswesen weiterentwickeln konnte. Patientinnen und Patienten, die sich eine Betreuung außerhalb des Krankenhauses leisten konnten, wurden nach wie vor meist zu Hause betreut.

Ungeklärt ist jedoch die Frage, wie und ob diese Ausbildung, die immerhin in einer Umgebung erfolgte, die dem späteren Alltag kaum entsprach, tatsächlich auf die zukünftige Berufsausübung vorbereitete.

Ausbildung

Gesundheit als staatsbürgerliche Pflicht
Von den Bürgerinnen und Bürgern wurde wiederum erwartet, dass sie auf ihre Gesundheit achten sollten, was als bürgerliche Pflicht gegenüber dem Gemeinwesen betrachtet wurde. Daher wurde bereits in den Volksschulen mit der Gesundheitserziehung begonnen. Dieses Fach wurde mit der Theresianischen Schulreform von 1774 verpflichtend eingeführt. Man ging davon aus, dass sich der Mensch als vernunftbegabtes Wesen richtig verhalten würde, wenn er gebildet wäre und über ausreichende Informationen verfügen würde. Wissen sollte daher auch in entsprechender Weise aufbereitet und vermittelt werden.

Typisches Beispiel für eine „Bildungseinrichtung“, die in diesem Sinn für alle offen stand und in selbsterklärender Weise die Phänomene der Natur begreifbar machen sollte, war das 1775 vom Großherzog der Toskana, Pietro Leopoldo, dem Bruder von Joseph II, in Florenz eingerichtete Reale Museo di Fisica e Storia Naturale, das aufgrund der zugehörigen Sternwarte bald den Namen „La Specola“ erhielt. Felice Fontana (1730 – 1805) war beauftragt worden, dieses umzusetzen und so fanden sich in diesem Museum nicht nur Physikalische Modelle, Globen und Fernrohre, sondern auch pflanzliche und tierische Präparate, die vielfach auch aus Wachs modelliert waren, sowie eine sehr umfassende Sammlung von anatomischen Wachsmodellen.

Anatomische Wachsmodelle
Die Herstellung von Modellen aus Wachs hat an sich eine relativ lange Geschichte, anatomische Modelle wurden gelegentlich auch von Künstlern angefertigt, z.B. um Skulpturen zu entwerfen. 1747 wurde im Auftrag von Papst Benedikt XIV., der zuvor Erzbischof von Bologna gewesen war, für das „Instituto delle Scienze“ in Bologna, einer Art Akademie der Wissenschaften, eine umfangreiche Sammlung von anatomischen Wachsmodellen entworfen und umgesetzt. Ercole Lelli (1702 – 1766), der an der Akademie der bildenden Künste in Bologna (Accademia Clementina delle Belle Arti) u.a. als Lehrer für anatomisches Zeichnen tätig war, war für die Ausführung dieser Modelle verantwortlich. Sein Werk wurde von Giovanni Manzolini (1700 – 1755) und vor allem von dessen Frau Anna Morandi (1714 – 1774) fortgesetzt. Sie entwickelte die Kunst, anatomische Wachsmodelle herzustellen dahingehend weiter, dass diese sehr nahe am anatomischen Arbeiten gestaltet wurden. Zu diesem Zweck führte sie eigene anatomische Untersuchungen und Forschungen durch, die in ihrem unveröffentlichten Katalog der Wachsmodelle von Bologna dokumentiert sind. Auch dieses Museum und dieser Raum mit anatomischen Wachsmodellen waren der Öffentlichkeit zugängig, allerdings dienten die anatomischen Wachsmodelle auch den Studien der Akademiemitglieder und der Studenten der Universität Bologna.

Modelle

Die Wachsmodellierkunst von Anna Morandi wurde von Felice Fontana und seinen Mitarbeitern in den Werkstätten des Reale Museo di Fisica e Storia Naturale in Florenz weiter geführt. Die Modelle entstanden in Zusammenarbeit mit dem Anatomen Paolo Mascagni (1755 – 1715), der selbst mit Wachs als Werkstoff für anatomische Modelle gearbeitet hatte. 1773 begann der als Bildhauer ausgebildete Clemente Susini (1754 – 1814) in dieser Werkstatt zu arbeiten und war in erster Linie für die Herstellung dieser Modelle verantwortlich.

Barockes
Die Wachsmodelle in Bologna und die Mehrzahl der Wachsmodelle in Florenz und Wien zeigen sehr starke barocke Konnotierungen. Die Modelle sind elegant gelagert, mit fließendem Haar, rosiger Haut und im Grunde wirken die meisten von ihnen sehr lebendig. In manchen Fällen scheinen jedoch auch die barocken Darstellungen von Märtyrern übernommen worden zu seien, manche ähneln den Darstellungen entrückter und erlöster Heiligen in den römisch-katholischen Kirchen dieser Epoche. Häufig wurde offenbar auch auf die Präsentation der Reliquien, wie sie im barocken Zeitalter in römisch-katholischen Kirchen üblich war, Bezug genommen.

Barock

Abgesehen von der Tatsache, dass die Repräsentation des menschlichen Körpers in dieser Weise um die Mitte des 18. Jahrhunderts, als die ersten derartigen Modelle in Bologna entstanden, dem aktuellen Kunstverständnis entsprach, könnte diese Art der Darstellung für die Besucherinnen und Besucher des Florentiner Museums etwas „Bekanntes“ gewesen sein, etwas das sie aus ihrem alltäglichen Umfeld kannten. Somit wurde keine unbekannte Darstellungsweise gewählt. Möglicherweise war dies auch beabsichtigt, um das Interesse der Besucherinnen und Besucher auf die Anatomie des Menschen zu lenken und sie nicht durch Darstellungen zu irritieren, die einer anatomischen Sektion allzu ähnlich waren.

In seinen späteren Arbeiten scheint Susini immer weiter von der idealisierten Darstellung dieser sehr lebendig wirkenden Wachsmodelle abgegangen zu sein. Die Modelle werden sezierten Leichen immer ähnlicher. Die „Venerina“ in Bologna etwa entstand später als die Venusmodelle, die heute in Florenz, Wien, Pavia und Budapest zu sehen sind. Diesem Modell fehlt die lebensfrohe Frische ihrer Vorgängerinnen, vielfach wird beschrieben, dass hier der Moment des Eintritts des Todes dargestellt wurde. Allerdings erscheint dieses „Venerina“ als sehr schlank, vielleicht unterernährt oder aus anderem Grund zu stark abgemagert, um eine Schwangerschaft durchhalten zu können. Unüblich ist hierbei auch, dass eine Schwangerschaft in einem späteren Stadium dargestellt ist, was zu der Überlegung führt, dass Susini hier einem realen Vorbild gefolgt sein könnte, einer Frau die tatsächlich – stark abgemagert – in der Spätschwangerschaft verstorben ist.

Bei den Wiener Modellen fällt auf, dass auch hier zwei weibliche Modelle nicht diese lebensvolle Frische aufweisen, wie sie die wesentlich besser bekannte sog. „Mediceische Venus“ charakterisiert. Zum einen weisen diese beiden Modelle sehr starke barocke Konnotationen von Leiden und Märtyrertum auf, aus anderer Perspektive scheinen sie „erlösten Heiligen“ sehr ähnlich zu sein. Diese Modelle können auch nicht in ihre Einzelteile zerlegt werden.

Ästhetik und Gesundheitspolitik
Die sog. „Mediceische Venus“ hingegen strahlt in ihrer Ästhetik weibliche Schönheit aus, die auch im ausgehenden 18. Jahrhundert als solche empfunden wurde. Dieses Modell konnte, im Gegensatz zu den zuvor erwähnten, in seine Teile zerlegt werden, was den Besucherinnen und Besuchern auch demonstriert wurde. Die Wachsmodelle waren wohl primär als Anschauungsmaterial für die Lehre angekauft worden, allerdings war es auch hier möglich, dass die Öffentlichkeit Zugang erhielt und anhand dieser Modelle der Bau des menschlichen Körpers erklärt wurde. Ihre Schwangerschaft ist etwa im 5. Monat dargestellt, einem Zeitpunkt, zu dem die ersten Bewegungen des Kindes gespürt werden und zu dem eine Frau des 18. Jahrhunderts ziemlich sicher sein konnte, schwanger zu sein.

Zieht man nun die eingangs erwähnten gesundheits- und bevölkerungspolitischen Ziele der gesellschaftstheoretischen Denkweisen, die im Josephinum umgesetzt wurden in Betracht, so führt dies zu der Interpretation, dass mit diesen sehr ästhetischen Modellen nicht nur die Botschaft, wie ein gesunder Körper aussieht, verbunden war, sondern dass damit auch ein Hinweis in Richtung „Bevölkerungspolitik“ gegeben wurde.

Allerdings liegt es wohl näher, dass schlichtweg eine Schwangerschaft dargestellt wurde, damit vermittelt werden konnte wie diese aussieht – und dies in einem Stadium bei dem sich eine Frau des 18. Jahrhunderts relativ sicher sein konnte, schwanger zu sein. Dieses Modell dürfte auch dem gängigen Ideal von weiblicher Schönheit entsprochen haben.

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Durch die barock konnotierte Präsentation, die für die Studenten, aber auch für die Besucherinnen und Besucher des Josephinum eine bekannte und ansprechende Darstellungsweise war, wurde ein positiver Zugang zum menschlichen Körper vermittelt.

Allerdings war diese ästhetische Darstellungsweise nicht auf den weiblichen Körper beschränkt. Die aufrecht stehenden männlichen Figuren – mit etwa 1.85 m etwas größer als die durchschnittliche männliche Bevölkerung, übernehmen in ihren Gesten und Posen ebenfalls bekannte klassische und barock beeinflusste Haltungen. Trotz der in unterschiedlichen Tiefen abgetragenen Muskelschichten bleiben der emotionale Ausdruck und auch die „Lebensnähe“ dennoch erhalten. Dargestellt sind hier bestimmt keine Leichen sondern Abbilder von gesunden, wohlgeformten (bis auf eine Ausnahme) männlichen Körpern, die Vitalität und Lebendigkeit ausdrücken.

Auch hier mag die vertraute barocke Konnotation für die Studenten, die Besucherinnen und Besucher ansprechend gewirkt haben, immerhin ging es darum, Wissen über die menschliche Anatomie zu vermitteln und dadurch Einsicht in die Notwendigkeit zu erwecken, dass der menschliche Körper gesund erhalten werden sollte. Der barocke „touch“ diente als Vektor für diese und wohl auch viele andere Informationen, indem bekannte Repräsentationen des menschlichen Körpers übernommen und in den Wachsmodellen umgesetzt wurden. Gleichzeitig verblieben diese Modelle auch in der Tradition der im barocken Bologna entwickelten Kunst, anatomische Wachsmodelle zu gestalten – auch wenn der Ort ihrer Aufstellung und ihre intendierte Verwendung bereits einer anderen Geistesströmung angehörten.

(Autorin: Sonia Horn)

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